Rechtsanwalt Peter Feldkamp

Fall:

Der Antragsteller führte am 31. März 2008 gegen 17.30 Uhr unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug. Die Analyse der im Anschluss an die Verkehrskontrolle entnommenen Blutprobe ergab folgende Wirkstoffkonzentrationen im Blutserum: 1,2 ng/ml THC; 18,9 ng/ml THC-Carbonsäure; 0,7 ng/ml 11-Hydroxy-THC. Daraufhin ordnete die Fahrerlaubnisbehörde am 22. Mai 2008 die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Feststellung von Art, Umfang und Häufigkeit des Drogenkonsums des Antragstellers an. Zwischenzeitlich war der Antragsteller am 4. April 2008 gegen 17.30 Uhr erneut bei einer Verkehrskontrolle angehalten worden, wobei durch Analyse der anschließend gegen 18.05 Uhr entnommenen Blutprobe folgende Wirkstoffkonzentrationen im Blutserum nachgewiesen wurden: 0,7 ng/ml THC, 3,5 ng/ml THC-Carbonsäure. Dieser Vorfall war der begutachtenden Ärztin, die den Antragsteller am 8. Juli 2008 untersuchte, nicht bekannt. Im Rahmen der Untersuchung gab der Antragsteller an, dass er erstmals im Alter von 17 Jahren einen Joint probiert habe. Nachdem das angeordnete ärztliche Gutachten die Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht vollständig ausräumen konnte, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 6. November 2008 unter Anordnung sofortiger Vollziehung die Fahrerlaubnis. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2009 zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe (Auszug):

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 3 Abs.1 StVG und § 46 Abs.1 FeV (Fahrerlaubnisverordnung)Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Nichteignung muss im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung positiv festgestellt sein. Unter welchen Umständen der Betäubungsmittelkonsum zur Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen führt, wird unter Ziffer 9 dieser Anlage 4 näher bestimmt. Während danach die gelegentliche Einnahme von Cannabis die Eignung nur dann unberührt lässt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen kann, kein Mischkonsum mit Alkohol und anderen Betäubungsmitteln stattfindet und weder eine Persönlichkeitsstörung noch ein Kontrollverlust eingetreten ist (Nr. 9.2.2), schließt die regelmäßige Einnahme von Cannabis stets die Eignung aus (Nr. 9.2.1).

Dem Antragsteller fehlt nach Maßgabe von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs, weil er (zumindest) gelegentlich Cannabis konsumiert und den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen kann. Soweit die Beschwerde geltend macht, im Hinblick auf das Vorliegen beider Voraussetzungen bestünden erhebliche Unsicherheiten, folgt dem der Senat nicht.

Gelegentliche Einnahme von Cannabis im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Wie der Antragsteller selbst eingeräumt hat, hat er erstmalig im Alter von 17 Jahren Cannabis konsumiert. Ein zweiter, davon unabhängiger Konsumakt ist aufgrund des Ergebnisses der Blutanalyse nach dem Vorfall am 31. März 2008 belegt. Dass zu diesem Zeitpunkt der erstmalige Konsum von Cannabis bereits mehrere Jahre zurückgelegen hat, steht seiner Berücksichtigung nicht entgegen. Es genügt, dass sich die Abstinenz des Antragstellers nicht als dauerhaft erwiesen hat. Denn in diesem Fall ist die Annahme, es handele sich um ein einmaliges Probierverhalten, dessen Wiederholung nicht zu erwarten sei, nicht berechtigt. Im Übrigen spricht viel dafür, dass der Antragsteller auch nach dem Vorfall am 31. März 2008 erneut Cannabis konsumiert hat. Auf der Grundlage des Ergebnisses der nur vier Tage später am 4. April 2008 entnommenen Blutprobe, bei der eine Konzentration von 0,7 ng/ml THC und 3,5 ng/ml THC-COOH im Serum festgestellt wurde, spricht angesichts des Umstands, dass sich der Wirkstoff THC rasch abbaut und in der Regel nach 4 bis 6 Stunden im Blut nicht mehr nachweisbar ist (vgl. Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 2 StVG Rn. 17f), vieles dafür, dass die Angaben des Antragstellers, er habe nur einmal in der Nacht vom 28. auf den 29. März 2008 Cannabis zu sich genommen, nicht zutreffen. Hierauf hat schon das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen.

Dem Antragsteller fehlt zudem das Vermögen, zwischen Drogenkonsum und Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen. An einer solchen Trennung fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht hat. Der Senat geht jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass das Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig fehlt und damit eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit vorliegt, wenn eine THC-Konzentration von mindestens 1 ng/ml im Blutserum festgestellt wird. Für diese Annahme spricht, dass nach dem Beschluss der Grenzwertkommission vom 20. November 2002 der für die Verwirklichung des Bußgeldtatbestands § 24a Abs.2 StVG maßgebliche analytische Grenzwert für THC 1 ng/ml beträgt (vgl. Weibrecht, Blutalkohol 2003, 130, 135). Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts wird daher bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml von einem zeitnahen Cannabiskonsum mit einer entsprechenden Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Konsumenten ausgegangen (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 2 StVG Rn. 17g, § 24a StVG Rn. 21a). Denn bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml sind Leistungsbeeinträchtigungen der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften zumindest möglich. Auch das Bundesverfassungsgericht hat den im Fahrerlaubnisrecht von den Verwaltungsgerichten zugrunde gelegten Grenzwert von 1 ng/ml nicht beanstandet Es hat überdies einen die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel angenommen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahrtüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen. Angesichts des mit dem Fahrerlaubnisrecht verbundenen Zwecks der Gefahrenabwehr ist das für die Fahreignung erforderliche Trennungsvermögen, das eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit als hinnehmbar erscheinen lässt, nur dann gegeben, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Fahren und Konsum in einer Weise trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Betroffene den Zeitpunkt, zu dem die THC-Konzentration in seinem Blut einen bestimmten Wert unterschreitet, nicht zu bestimmen vermag, weil nach dem derzeitigen Erkenntnisstand eine exakte Rückrechnung des THC-Wirkstoffgehalts nicht möglich ist.

Ergibt sich danach die fehlende Fahreignung des Antragstellers nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV bereits aufgrund gelegentlichen Cannabiskonsums und Verstoßes gegen das Trennungsgebot, kommt es auf die im ärztlichen Gutachten vom Juli 2008 getroffene Einschätzung und die von der Beschwerde behaupteten Widersprüche des Gutachtens nicht mehr an.

Da es für die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des noch ausstehenden Widerspruchsbescheids ankommen wird, wird der Antragsgegner zu prüfen haben, ob angesichts des seit der Fahrt des Antragstellers unter Cannabiseinfluss im März 2008 verstrichenen Zeitraums und seiner erklärten Bereitschaft, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Maßnahmen zur Klärung der Frage, ob der Antragsteller die Fahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt hat, einzuleiten sind.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 1. Senat, 16.06.2009, AZ: 1 S 17/09

© Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Strafverteidiger Feldkamp, Berlin

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